Etwas schenken, das wir nicht haben

Es war bei der Litfaßsäule am Marktplatz, wo sich Menschen der Kopf kurz öffnete bevor der Andere das Loch in gemeinsamem Akt wieder stopfte. Sie küssten sich. Andere schauten zu. Aber die Paare schotteten sich ab, entzogen sich – zumindest für den Augenblick, obwohl es in aller Öffentlichkeit geschah. Die Kamera sah das auch, verstand aber nicht.

Manche küssten sich verhalten, fragiles Vertrauen schenkend und Manche taten das fest. Es gab Solche, die plötzlich nicht mehr wollten und auch Die, die das Licht überraschte, welches spontan auf sie fiel. Es waren große Leidenschaften zu sehen und das bei kleiner Lust das Küssen wieder zu lassen. So spielten die Paare dann auch mit der Szenerie, der Kamera und unserem Konzept. Ein Konzept von dem wir selbst noch nicht wussten wohin es uns trägt. Irgendwas mit Projektion sollte es sein, das war klar…, das Wildscreening Setup wieder nutzen und im urbanen Raum projizieren – was wir dann auch getan haben, zuallererst am Nationaltheater zum Abschlussfest der 16. Internationalen Schillertage in Mannheim.

Als wäre das nicht genug wurden von Katia Beuth (ihr Artikel zum Projekt hier) noch zwei weitere Fotosessions angesetzt und wir waren dann noch zwei mal jeweils Samstag Nachmittag für ein bis zwei Stunden am Marktplatz präsent. Der grossartige Patrick G. Stößer war in seiner Rolle als Fotograf perfekt und auch sein Equipment der Situation angemessen. Er setzte für die Kussbilder eine Nikon DSLR mit Ringblitz und einem weiteren Aufhellblitz für die Haare ein. Zusammen mit mir als Halter des Aufhellblitzes und auch des Hintergrundes, ursprünglich ein 1,5 Meter durchmessender Lichtreflektor – jetzt mit schwarzem Überzug, stellten wir so ein kleines mobiles Fotostudio auf die Beine, während Katia mit weiteren Helfern aus dem Umfeld des Künstlerhauses zeitraumexit die Passanten anwarb. Das Ganze lief natürlich völlig korrekt ab, so bestanden wir dabei auch auf das signieren einer Mitwirkungsbestätigung und sammelten die notwendigen Kontaktdaten ein. Im Gegenzug bekamen die Paare, soweit möglich, ihr Foto und laufend Infos zum weiteren Werdegang des Projekts gemailt.

So gab es also uns, den Kuss und die Passanten. Diejenigen die Lust hatten wurden für den Augenblick zu Modell-Paaren umfunktioniert und zeigten vor der Kamera was gezeigt werden sollte. Aber was da noch war konnte nicht gesehen werden, denn vor ihr verborgen ist was in der Verbindung bleibt – trotz den aufgewendeten Energien, den ausgeschickten Blitzen und den magischen Sprüchen, mit denen wir jedes Paar beim Akt des Ablichtens beschworen. Trotz all dem, wir blieben aussen vor und waren Betrachter – Betrachter, keine Beobachter: Wir konzipierten die Szenerie, auf technische Art den Augenblick einfangend und einer weiteren Verwendung vorbehaltend. Die weitere Verwendung war die Projektion, denn geküsst wurde nicht.

Am 24. Juni, beim ‘Flutschfinger’-Freibad wurde es ernst: Es kam der Aiptek Pico-Beamer zum Einsatz und zahlreichen Gästen wurden Küsse in die hohle Hand geworfen, um von der Kamera festgehalten zu werden. Der Beamer stellte sich in diesem Kontext als erstaunlich hell heraus, als im dunklen Hof des zeitraumexit die aus der Nähe bebeamten Hände fotografisch festgehalten werden sollten. Dazu habe ich dann kurzerhand den Blitz meiner guten alten Lumix LX3 mit ein paar Lagen Kreppband gedämpft um nach Anpassung des Weißabgleichs den Kontrast beim Fotografieren zu reduzieren. Wir forderten Gäste auf ihre Hände vorzuzeigen und legten dann die Pärchen hinein. Es wurden also Paare aktiv getragen und dabei das Motiv ‘Kuss‘ in zweiter Iteration wieder von der Kamera, diesmal als ‘Handkuss‘ geknipst.

Interessant finde ich hierbei wie leicht es dem menschlichen Gehirn fällt solche Schnappschüsse des Motivs zu dekodieren, gesehen auch aus diversen Winkeln und Rotationen. Mache Bilder sind durch farblich inhomogene Projektionsflächen sogar teilverdeckt – eine kryptographische Meisterleistung!

Nachdem am Welttag des Kusses alle krank waren ging es dann vorerst weiter mit dem ‘Stadtkuss‘, wo wir nach dem Helfertreffen für das Festival Wunder der Prärie spontan urbane Objekte mit unseren Pärchen bevölkerten und dabei knipsten. Dabei wurde meistens der Acer K11 LED-Beamer benutzt, für den ich mir, der Mobilität wegen, vorher noch einen externen Universal-Akku angeschafft habe. Mit 19V und 153Wh, eigentlich für Notebooks als Stromstütze für lange Reisen gedacht, lässt sich der Beamer damit gut zwei Stunden betreiben.

Aber das war noch lange nicht alles: Bis zum Festival im September sind es noch ein paar Nächte…  In Mannheim sind weitere Projektionen geplant – man wird sehen. Die anderen Fotos vom ‘Kussprojekt’ findet man im zeitraumexit Fotostream auf Flickr.